Best Practice Swiss Medtech Expo 2023

Komplexe Automatisierung mit verschiedenen Fügemethoden

Bei der seriellen Herstellung von medizintechnischen Produkten in großen Stückzahlen müssen die Anforderungen an Produktqualität und Prozesssicherheit effizient erfüllt werden.

Eine prozesssichere, also stillstandfreie, Montage mit einer direkten Verkettung des vorgelagerten Spritzgießens – dieses hohe Ziel hatte Kunststoffteilehersteller Gindele vor Augen, um den Großauftrag des Schweizer Unternehmens Medela für einen medizinischen Sekretbeutel zu erfüllen. Mit den Partnern Robo motion und Herrmann Ultraschall wurde die große Anlage mit vier 6-Arm-Robotern und über 50 Montageschritten als Grauraumproduktion umgesetzt.

52 Schritte
Die direkte Montage des Sekretbeutels erfordert einen Ablauf aus insgesamt 52 Einzelschritten: Dies sind zum Teil einfache Schritte wie Umorientierungen von Bauteilen in Drehstationen, aber auch komplexe Operationen wie die Montage eines Rückschlagventils oder das 100 % dichte Verschweißen eines Filterdeckels. Als Fügetechniken sind von Medela aus das Heißschweißen und das Ultraschallschweißen spezifiziert, da beide Verfahren bereits validiert sind. Nach einem Erstkontakt auf der Medtec 2014 zwischen Medela und Gindele soll es noch eineinhalb Jahre bis zur Auftragsvergabe dauern. Die Größe des Auftrags gibt bei Gindele den Ausschlag, stark in die Automatisierung und in einen Erweiterungsbau zu investieren. Die Leistungsfähigkeit der Automationsanlage ist für mehrere Millionen Teile pro Jahr ausgelegt. Medela überträgt Gindele die Wahl der Technologielieferanten. Neu ist der Nachhaltigkeitsaspekt der Anlage: Jedes Teilstück ist vorab auf Qualität geprüft – dadurch ist eine frühzeitige Ausschleusung möglich und die teure Weiterbearbeitung von defekten Teilen wird unterbunden. Der Automationsspezialist Robomotion aus Leinfelden-Echterdingen legt die Anlage nach folgendem Raster aus:

  1. Spritzgießen: Deckel, Filterdeckel sowie Kleinteile
  2. Förder- und Greifertechnik: Eine spezielle Auslegung der Formnester auf dem Werkstückträger ist notwendig, ebenso eine spezielle Greifertechnik. Vier 6-Arm-Roboter von Kuka sind auf der Anlage im Einsatz.
  3. Beutelmontage inklusive des vorspezifizierten Heißschweißens
  4. Zuführung eines Filtermediums, welches in eine Aussparung im Deckel eingelegt wird
  5. Ultraschallverschweißung des Filterdeckels. Die Anforderungen: 100 % Dichtheit und einwandfreie Oberflächen
  6. Qualitätsprüfung: optisch und mittels Druckluft
  7. Bedruckung zur Einzelrückverfolgbarkeit pro Stück (Traceability)
  8. Ablegen und verpacken

R&D für schweres Werkzeug
Das Spritzgießwerkzeug für den Auftrag stellt Gindele selbst her. Das Unternehmen ist mit Feinwerktechnik groß geworden. Für den Sekretbeutel baut das Unternehmen ein Mehrfachwerkzeug und steckt umfangreiche Entwicklungsarbeit hinein. Das Werkzeug ist ausgelegt für die Deckeleinzelteile, die später miteinander verschweißt werden. Die unterschiedlichen Schussgewichte waren die erste Herausforderung. Die zweite war die Zykluszeit und die damit verbundene Optimierung der Kühlung. Gindele kann mit dem 2,8 t schweren Werkzeug alle Anforderungen lösen und erreicht schnelle Zykluszeiten.

Filter per Ultraschall einschweißen
Ein Filterstück, das für die Belüftung zuständig ist, wird in eine Aussparung im Deckel des Sekretbeutels eingelegt. Die Fügeaufgabe ist das Verschweißen des Filterdeckels mit dem Deckel. Die Schweißnaht muss einer Druckprüfung standhalten und absolut dicht sein. Die Oberflächen müssen nach der Schweißung optisch einwandfrei aussehen. Medela hatte als Fügeverfahren für den Filterdeckel bereits das Ultraschallschweißen spezifiziert. Dafür sind die in der Medizintechnik erforderlichen Validierungen bereits vorhanden. Auch die Nahtgestaltung ist vorgegeben.

Gindele holte sich hier als Technologielieferanten Herrmann Ultraschall ins Boot. Herrmann bietet praxiserprobte Automationslösungen mit integrierter Schweißprozesssteuerung. Konzipiert werden eine Vorschubeinheit mit 20 kHz sowie das zugehörige Schweißwerkzeug, Sonotrode genannt. Eine vorhandene Validierung zu verwenden heißt, vorgegebene Prozessfenster einhalten zu müssen. Allerdings müssen aufgrund der Materialchargen von unterschiedlichen Herstellern Prozessanpassungen vorgenommen werden, denn die Materialien schweißen unterschiedlich. Das Projekt zeigt deutlich, dass Kunststoff eben doch nicht immer gleich Kunststoff ist. Bei der vorliegenden Optimierung müssen die Prozessfenster eingehalten werden. Hier unterstützen die Parametrierungsmöglichkeiten des Ultraschallschweißens. Kaum ein anderes Fügeverfahren kann so feinfühlig eingestellt werden.

Fazit
Die Anlage arbeitet 24/7 mit einer gewünscht hohen OEE. Alle 5 s wird ein Beutel produziert. Vor einer direkten Prozessverkettung mit dem Spritzgießen schrecken Automatisierer eigentlich zurück. Das Zauberwort ist Synchronizität – erreicht durch gutes Teamwork und verlässliche Absprachen.