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Medizintechnik im Schraubstock

Zwischen höherem Aufwand für die regulatorisch konforme Dokumentation und Zulassung, der Produktentwicklung einerseits, sowie Kostendruck und wachsender Komplexität bei der Herstellung andererseits müssen Hersteller medizintechnischer Produkte sich am Weltmarkt behaupten.

Medizintechnik im Schraubstock

Zwischen höherem Aufwand für die regulatorisch konforme Dokumentation und Zulassung, der Produktentwicklung einerseits, sowie Kostendruck und wachsender Komplexität bei der Herstellung andererseits müssen Hersteller medizintechnischer Produkte sich am Weltmarkt behaupten. Spezialisierte Partner von Siemens Digital Industries Software verbinden beide Bereiche in einem ganzheitlichen Digitalisierungsansatz und sorgen gemeinsam bei kleinen wie großen Herstellern für Wettbewerbsvorteile.

Mit Inkrafttreten der Europäischen Medical Device Regulation (MDR) im Mai 2021 wurden die Vorschriften für die Dokumentation, Zulassung und Aufbewahrung von Medizinprodukten nochmals verschärft. Zum Beispiel sind die grundlegenden Anforderungen an die Sicherheit und Leistung von Medizinprodukten gewachsen – inklusive denen an die Begleitinformationen. Änderungen bei der Klassifizierung, dem Konformitätsbewertungsverfahren für die Zulassung und die Verlängerung der Aufbewahrungsdauer schaffen Mehrarbeit für die Branche, zumal viele Hersteller gleich mehrere regulatorische Anforderungen für unterschiedliche Regionen oder Länder erfüllen müssen. „Insbesondere müssen die Auswirkungen von Änderungen einer Komponente, die Einflüsse auf verschiedene Produkte und die Zusammenhänge zwischen den Produkten aufgezeigt werden“, erklärt Ralf Thür, CEO der avasis AG. „Allein mit Papierdokumentationen und Aktenordnern lässt sich dies nicht mehr bewältigen.“ Seit 1997 versorgt der Smart Expert Partner von Siemens produzierende Kunden im deutschsprachigen Raum mit Software, die Phasen der Produktentwicklung unterstützt, von der Definition der Benutzerbedürfnisse, über Anforderungsmanagement, Design Entwicklung, Verifizierung und Validierung bis zur Übergabe des Designs an Einkauf und Fertigung. Ausgangspunkt war die umfassende Lösung zum Produktdaten-Management in Teamcenter aus dem Xcelerator Portfolio von Siemens, die avasis um Projektmanagement und Dokumentation der Produktakte für Medizinprodukte ergänzt hat. Tiefes Branchenwissen und langjährige Erfahrung sind in diese Teamcenter Medical Device Solution eingeflossen und sorgen letztlich dafür, dass die Prozesse ebenso wie die Implementierung regulatorisch konform sind.

Wachsender Anteil von Elektronik und Software

Rein mechanische Produkte werden durch Sensoren „smart“, einfache elektronische Steuerungen werden mit Software und Kommunikationsschnittstellen ausgebaut. Produkte lassen sich individuell anpassen, sammeln Informationen und übermitteln Daten. So spielen Elektronik und Software gerade bei der Entwicklung von Medizinprodukten eine immer größere Rolle. Sie bringen eine neue Dimension der Komplexität mit sich, denn sie müssen einzeln und in ihrem möglichen Zusammenwirken ebenfalls getestet, dokumentiert und als Teil eines Medizinproduktes zugelassen werden. Damit sich der Aufwand aufgrund von Varianten und häufigen Updates nicht potenziert, setzen Hersteller von Medical Devices in vielen Branchen auf das Application Lifecycle Management (ALM) mit Polarion. „Polarion ermöglicht durch seine artefaktbasierte Arbeitsweise die Anpassung und Wiederverwendung von Informationseinheiten in Prozessen und der dazugehörigen Dokumentation und schafft damit die Grundlage für effiziente und beherrschbare Entwicklungsprozesse“, sagt Ralf Thür. „Nach unseren Erfahrungen erfüllen kleine wie große Hersteller mit Polarion und Teamcenter nicht nur die wachsenden Anforderungen an Dokumentation in der Produktentwicklung und den dazugehörigen Schnittstellenprozessen, sie gewinnen dabei auch Wettbewerbsvorteile durch reduzierte Aufwände und ein schnelleres Change Management.“

Einfluss auf Produktion und Montage

Doch die wachsende Komplexität beschränkt sich nicht auf die Produktentwicklung. Auch Produktion und Montage werden immer komplexer: „Dafür sorgen mehr Komponenten und höhere Intelligenz der Produkte durch Sensoren, Elektronik und Software ebenso wie die zunehmende Individualisierung“, berichtet Bernhard Marsoner, CEO von znt-Richter, ebenfalls Smart Expert Partner von Siemens mit langjährigen Erfahrungen in der Medizintechnik. „Besonders die Einsteuerung neuer Produkte in die Produktion wird erschwert und verursacht heute wesentlich mehr Aufwand.“ Höhere Dokumentationspflichten, die Suche nach Fertigungsinformationen, ihre Überprüfung und die Berücksichtigung produktionsbedingter Änderungen verschärfen sich angesichts kleinerer Losgrößen und individualisierter Produkte. Ob mechanische Erzeugnisse wie Hüftgelenke oder komplexe Apparate – mit papierbasierten Prozessen stoßen Hersteller schnell an ihre Grenzen. Mangelnde Flexibilität, Fehleranfälligkeit und schließlich die hohen Prozesskosten, die für Erstellung, Verteilung, Änderung und Bearbeitung anfallen, treiben die Digitalisierung voran.

Mit Digitalisierung gegen den Kostendruck

In vielen Ländern werden die Kosten auf allen Ebenen der Gesundheitssysteme inzwischen kritisch betrachtet. Doch der aus anderen Branchen längst bekannte Kostendruck betrifft vor allem die Hersteller. Sie müssen die steigenden Anforderungen zusätzlich schneller und wirtschaftlicher erfüllen. Um Kosten zu reduzieren, die Flexibilität und Transparenz in der Fertigung zu erhöhen und die Fehler papierbasierter Prozesse mit ihren handschriftlichen Änderungen zu eliminieren, setzen sie auf Manufacturing Execution Systeme (MES) zur Steuerung und Kontrolle der Produktion in Echtzeit. Mit dem inzwischen zum Xcelerate Portfolio von Siemens gehörenden Opcenter Execution (früher Camstar Enterprise) empfiehlt znt-Richter weltweit eine umfassende, führende Lösung mit branchenspezifischen Ausprägungen, auch für die Medizintechnik und Diagnostik. „Durch die Digitalisierungskette sind diese Unternehmen mit ihren Produkten schneller am Markt“, weiß Bernhard Marsoner. „Frühere Problembereiche wie Feedback Loops, späte Konstruktionsänderungen und regulatorische Anforderungen verwandeln sie damit in Wettbewerbsvorteile.“ In der Regel stelle sich dieser Benefit nach drei Jahren ein. „Doch wer auf ein zu wenig umfangreiches System gesetzt hat, stößt mittelfristig sicher an seine Grenzen“, sagt Marsoner. „Mit Opcenter Execution Medical Device & Diagnostics erhalten Medizintechnikfertiger standortübergreifende Zukunftssicherheit.“ Die Lösung in den Bereichen Diagnostik, kardiovaskulärer Medizin, Diabetes, Nierenkrankheiten, Augenheilkunde, Tomographie und Implantaten eingesetzt.

Ganzheitlicher Digitalisierungsansatz

Inzwischen optimieren einige Hersteller seit Jahren ihre Produktentwicklung und Produktion mithilfe von Software und digitalen Zwillingen. Doch verstärkt drängen sie auf übergreifende Lösungen, die alle produktbezogenen Domänen integrieren und so Prozesse vollständig digitalisieren. Siemens stellt dazu nicht nur ein umfassendes, vollständiges Angebot an Lösungen und Dienstleistungen bereit, das sich oftmals mit vorhandener Software integrieren lässt. 

Es gibt auch branchenspezifische Partner wie avasis und znt-Richter, die einen ganzheitlichen Digitalisierungsansatz jenseits der Domänen und Bereiche anbieten – gerne sogar gemeinsam. So implementieren die beiden Spezialisten in dem Projekt „DEEP – Digital End to End Process“ PLM-Lösungen und MES bei einem mittelständischen Hersteller von Hüftgelenksprothesen in der Schweiz. „Der Kunde hat in einem PLM-Projekt aktiv nachgefragt, wie sich der nachgelagerte Prozess integrieren lässt“, berichtet Ralf Thür. „Gemeinsam mit znt-Richter können wir dies umsetzen.“ Die Integration der Lösungen wird durch Siemens Digital Industries Software unterstützt, die dazu eine Schnittstelle beisteuert, um derartige Projekte weiter zu erleichtern. Während sich anderswo Vertriebspartner auch mal die Butter vom Brot nehmen, fördert das Siemens-Netzwerk die Zusammenarbeit am großen Ganzen. „Wie wir strebt avasis vor allem nach höchster Kundenzufriedenheit, auch wenn man eine Extrarunde drehen muss“, sagt Bernhard Marsoner. „Das verbindet uns in diesen Projekten.“ So kooperieren die Partner inzwischen auch bei einem internationalen Anbieter mit weltweit 6.500 Mitarbeitern in einem ähnlichen Projekt. „Beide Unternehmen haben verstanden, dass Digitalisierung nicht nur technologischen, sondern auch organisatorischen Wandel bedeutet, der prozess- und abteilungsübergreifend stattfinden muss“, sagt Ralf Thür. „Wenn man die zunehmende Komplexität und die erhöhten regulatorischen Anforderungen dadurch beherrschen kann, entwickelt sich die Digitalisierung zu einem Wettbewerbsvorteil.“ 

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